Erfolg für Verbraucherschutz – AGB Schadenversicherung

 

Zugunsten des Versicherungsnehmers wurde vom Obersten Gerichtshof in 7 Ob 14/16h ein Fall unserer Kanzlei entschieden. Im Zusammenhang mit einem Sturmschadenversicherungsvertrag, dem nicht nur die Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB 2002), sondern auch die Besonderen Bedingungen St 120 und die Besonderen Bedingungen GaN-2010 zugrunde liegen, kam der OGH unter Einbeziehung der Versicherungspolizze zum „klarstellenden“ Ergebnis, dass auch Grundstückseinfriedungen (hier: durch ein Hochwasser beschädigte Stützmauer) vom Versicherungsschutz umfasst sind.

„Nach dem Wortlaut des Art 1.1 AStB iVm Art 3.1 AStB ist völlig klar, dass die Einbeziehung von Außenanlagen (wie insb Einfriedungen) in den Versicherungsschutz gegen die genannten Gefahren (Sturm, Hagel, Schneedruck, Steinschlag, Erdrutsch und Felssturz) einer gesonderten Vereinbarung bedarf. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer, der die Geltung der Klausel St 120 und damit die Einbeziehung von Außenanlagen festlegt, wird, wenn er gleichzeitig die Erweiterung um die in der Klausel GaN-2010 genannten Risiken vereinbart, die Bedingungslage dahin verstehen, dass die Einbeziehung der – auch in der Polizze ausdrücklich angeführten – Grundstückseinfriedung für den gesamten Bereich der Sturmversicherung und damit auch auf deren durch die Klausel GaN-2010 bewirkte Deckungserweiterung erfolgt: Art 1.3 GaN-2010 iVm Art 3.1 GaN-2010 verweist ausdrücklich auf Art 3.1 AStB und somit auf die auch hier bestehende Möglichkeit der Einbeziehung von Grundstückseinfriedungen iSd Art 3.1.3.2 AStB. Aus dem Wortlaut der Klausel St 120, dass durch ein versichertes Schadenereignis verursachte Schäden an Grundstückseinfriedungen mitversichert sind, wird der Versicherungsnehmer zum einen schließen, dass dadurch die Einbeziehung der Grundstückseinfriedungen erfolgte und zum anderen, dass sich diese, aufgrund des Hinweises auf die versicherten Schadenereignisse auch auf die vereinbarte Deckungserweiterung nach der Klausel GaN-2010 bezieht, zumal Voraussetzung für diese Deckungserweiterung durch die Klausel GaN-2010 das Bestehen einer Sturmschadenversicherung ist, bei der eben die Grundstückseinfriedungen eingeschlossen sind.“

Wie das Berufungsgericht mE bereits richtig ausführte, war keineswegs aus dem bloßen Hinweis auf die GaN-2010 in der weiteren Deckungserweiterung schon bei bloßem Durchlesen der Versicherungspolizze klar, dass die Deckungserweiterung auf außergewöhnliche Naturereignisse nicht auch für Schäden im erweiterten Bereich, nämlich bei Grundstückseinfriedungen, gelten solle. Schon vom Aufbau der Versicherungspolizze war nach meinem Vorbringen nämlich davon auszugehen, dass ihr objektiver Erklärungswert der ist, dass in die Versicherung Umfriedungen eingeschlossen werden und die gesamte Versicherung auf Hochwasser erweitert wird. Der Wortlaut der Polizze bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich diese Erweiterung nur auf das Gebäude beziehen würde. Der bloße Hinweis auf die GaN reicht nicht, da sich auch die AStB – ohne diesbezügliche Erweiterung – zunächst grundsätzlich nur auf Gebäude beziehen.

Die Auslegung von Versicherungsbedingungen hat sich am Verständnis eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren. Es soll auf einen objektiven Erklärungsempfänger abgestellt werden und wie dieser unter Berücksichtigung aller Umstände den Wortlaut verstehen musste. Unklarheiten sind zu Lasten des Versicherers auszulegen, der „erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ muss aber stets beachtet werden. Diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof (7 Ob 84/97t) bei risikoeinschränkenden Klauseln bereits ausgesprochen, dass diese daher in dem Maße keine Vertragskraft besitzen, als deren Verständnis von einem Versicherungsnehmer ohne juristische Vorbildung nicht erwartet werden kann. Maßgebend ist daher, wie der juristisch nicht gebildete Versicherungsnehmer den Ausschluss im Lichte seines erkennbaren Zwecks verstehen musste. Entgegen der Rechtsmeinung der Gegenseite in ihrem Rekurs ging mE bereits das Berufungsgericht zu Recht von einer Eigenschaft der gegenständlichen Klauseln als risikoeinschränkend aus.

Wenn von der beklagten Partei in ihrem Rekurs ausgeführt wurde, dass ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer nicht nur die Angaben der Polizze, sondern auch die „Allgemeinen Bedingungen studieren“ würde, so war diesem Argument mE jedenfalls nicht zu folgen. Im Detail wurde dazu von unserer Kanzlei zu Recht ausgeführt: Laut Art 3 GaN-2010 sind ausschließlich die in der Polizze bezeichneten und auf dem Versicherungsgrundstück befindlichen Gebäude samt dazugehörenden Baubestandteilen und Gebäudezubehör von der Klausel versicherte Sachen. Wenn auch in der Polizze unter der Überschrift der versicherten Gebäude nur das Einfamilienhaus der klagenden Partei bezeichnet wird, so stehen die Grundstückseinfriedungen unter der Überschrift „zusätzlich gelten als versichert“. Die Stützmauer als Einfriedung fällt unter den Gebäudebegriff der GaN-2010 und daher unter deren Versicherungsschutz gegen Hochwasser. Anders würde ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer diese Klauseln nicht lesen und auffassen.

Die besondere Bedingung St120 erfasst ausdrücklich auch Schäden an baulichen Einfriedungen, die durch ein versichertes Schadenereignis verursacht wurden. Laut Polizze gilt diese Zusatzversicherung für Grundstückseinfriedungen auf erstes Risiko bis 5.000,00 €. Der Wortlaut der Klausel St120 gibt wenig Hinweise auf den Umfang des Versicherungsschutzes, da er nur von einem versicherten Schadenereignis spricht. Der Zweck der Klausel liegt darin, den Versicherungsschutz auf Einfriedungen auszudehnen. Einem durchschnittlich verständigem Versicherungsnehmer muss nicht klar sein, dass sich die Klausel St120 nur auf die Schadenereignisse der Sturmversicherung bezieht und nicht auch sämtliche vereinbarte Deckungserweiterungen umfassen soll.

GaN-2010 und St120 sind beides Besondere Bedingungen in der Versicherungssparte „Sturm“, die beide iVm den Allgemeinen Bedingungen AStB in derselben Versicherungssparte „Sturm“ zu lesen sind. Bereits Art 3.1. GaN-2010 verweist im letzten Satz darauf, dass Art 3.1. AStB sinngemäß gilt. In Art 3.1.3.2. AStB wird bestimmt, dass Einfriedungen aufgrund besonderer Vereinbarung versichert werden können. Eine solche besondere Vereinbarung nach St120 befindet sich eben in der Polizze. Wie die Klausel St120 ausführt, sind Schäden an baulichen Einfriedungen an der Grundstücksgrenze vom Versicherungsschutz erfasst. Bei der gegenständlichen Mauer auf dem Grundstück der klagenden Partei handelt es sich zweifelsfrei um eine Einfriedung im oben genannten Sinn und besteht somit iVm Art 3 Ziffer 1.3.2. AStB Versicherungsschutz. Eventuelle Unklarheiten bei der Vertragsauslegung gehen auch hier zu Lasten des Versicherers.

AStB, GaN-2010 und St120 sind – zumindest aus Konsumentensicht – zusammenzulesen. Eine unklare Formulierung ist in diesem Fall dem Versicherer anzulasten. Alleine aus dieser zugunsten des Konsumenten auszulegenden optischen Positionierung der Erweiterungen des Versicherungsschutzes in der Polizze ist im Zweifel von einer Deckung auszugehen. Somit besteht nach der Polizze iVm AStB iVm GaN-2010 iVm St120 jedenfalls Versicherungsschutz. Die gegenständliche Stützmauer ist vom Versicherungsschutz umfasst.